Im Mai 2020 werden die Umzugskartons gepackt. Dann kann der Neubau in direkter Nachbarschaft der Westtünner Stephanuskirche nach einem Jahr Bauzeit bezogen werden. Dies sind Menschen mit Behinderung, die vom vkm Hamm unterstützt werden, selbstbestimmt in eigenen Wohnungen zu leben. Um Inklusion und die neuen Mieter im Quartier kümmert sich Lea Nordhaus. Wie das funktioniert, lesen Sie hier im Interview:
Frau Nordhaus, was genau sind Ihre Aufgaben als Quartiers- und Teilhabegestalterin?
Meine Aufgabe ist es, den Sozialraum für die neuen Mieter des Quartier Westtünnen zu erschließen. Ich unterstütze die Mieter schon vor dem Einzug ins neue Wohnprojekt, um sie genau kennenzulernen. Ich möchte ihren Entwicklungsstand, ihre Stärken sowie Probleme genauestens dokumentieren und somit eine gute vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Auch das bisherige soziale Umfeld wird in meine Arbeit einbezogen. Ab Einzugsdatum helfe ich auch, sich im neuen Quartier einzuleben, in dem ich mit verschiedensten Methoden eine gute Atmosphäre im Haus schaffe.
Was für Methoden sind das?
Ich erstelle ein Netzwerk des neuen Sozialraums im Vorfeld des Einzugs. Es müssen beispielsweise diverse Verkehrsverbindungen dokumentiert werden, vorhandene Einkaufsmöglichkeiten und die medizinische sowie therapeutische Versorgung in Westtünnen muss recherchiert werden. Nach Einzug in das neue Quartier müssen diese alltäglichen Dinge begleitet werden. Besonderes Augenmerk lege ich auch auf die Nachbarschaft, damit ein inklusives Miteinander möglich ist.
Kümmern Sie sich auch um die Freizeitgestaltung der künftigen Bewohner?
Ja. Ich mache mir ein Bild davon, welche Angebote bereits bestehen und wo ich die Mieter des Hauses anbinden kann, um inklusive Angebote zu schaffen. Um diesen Punkt realisieren zu können, müssen Kooperationen geschaffen werden, welche einen regelmäßigen Austausch erfordern. Aber auch intern im Quartier Westtünnen werden täglich Freizeitgruppen verschiedenster Formen (z.B. eine Tagesstruktur, Kochgruppe etc.) stattfinden, diese werde ich begleiten.
Die Teilnahme an Arbeitskreisen sowie die Bekanntmachung des Projekts gehören ebenfalls zu meinen Aufgaben. Auch bei Problemen in der Quartiersgestaltung werde ich aktiv, schaue nach Lösungen und neuen Ansätzen, um diese umzusetzen.
Ganz konkret: Wie sind Sie in Hamm-Westtünnen Ihre Arbeit angegangen, mit wem haben Sie als erstes gesprochen, was haben Sie sich angeschaut?
Zuerst habe ich mir ein Bild von dem Stadtteil gemacht, in dem ich regelmäßig im Internet verschiedenste Dinge recherchiert habe. Zum Beispiel Strukturen und Statistiken. Dann habe ich das Wohnprojekt „Quartier Westtünnen“ regelmäßig besucht. Zur ersten Kontaktaufnahme zu dem zuständigen Pfarrer, habe ich am Familiengottesdienst in Westtünnen teilgenommen. Wir haben bei einer Waffelaktion in der Gemeinde viele Gespräche mit Nachbarn geführt.
Um die zukünftigen Mieter besser kennenzulernen und genauere Informationen über sie zu bekommen, haben wir gemeinsam das Ich-Buch gestaltet, es fanden erste Treffen mit dem Quartiersmanager, der vkm stellt hier zwei Mitarbeitende, die im Januar 2020 ihre Arbeit begonnen haben, statt.
Wie sind Ihre ersten Erfahrungen, wie ist das erste Feedback?
Das Feedback ist derzeit positiv. Vor allem die Mieter freuen sich auf die Termine mit mir und sind ganz neugierig, was sie in Westtünnen erwarten wird. Auch die erste Kooperation mit dem Pfarrer und der Kirche verliefen problemlos. Die Teilnahme am Gottesdienst war hilfreich, um erste Kontakte und Berührungspunkte mit den Nachbarn zu finden.
Hilft es, ein Quartier schon vor Aufnahme der Arbeit zu kennen, oder ist es besser, mit einem frischen Blick auf die Aufgabe zu schauen?
Meiner Meinung nach ist es hilfreich schon vor der Aufnahme der Arbeit das Quartier zu erforschen. Man hat selbst einen Überblick darüber, wo sich bestimmte Anlaufstellen befinden und kann somit im Alltag schneller Hilfestellungen geben. Kooperationen können bereits stattfinden, so haben die neuen Mieter den Vorteil direkt mit bestimmten (Freizeit)angeboten zu starten, es ist alles etwas organisierter und strukturierter.
Außerdem hat man im Vorfeld genügend Zeit, seine Ziele und Vorstellungen zu planen. Man kann bereits mit der Umsetzung beginnen.
Welche Ziele wollen Sie mit Ihrer Arbeit erreichen, was haben Sie sich vorgenommen?
Die Bedürfnisse der alten und neuen Einwohner von Westtünnen werden recherchiert, um damit einen Beitrag zu einem inklusiven, selbstbestimmten Leben zu leisten. Ein weiteres Ziel ist, die Mieter in das Netzwerk, welches im Vorfeld erstellt wurde, einzubeziehen.
Ich werde Ideen entwickeln, die eine Einbindung der Menschen mit Behinderung in das Quartier leichter möglich macht und die für das gute Miteinander in der Gemeinde sorgen. Dafür werden im Vorfeld die Stärken und Schwächen der zukünftigen Mieter ermittelt, in Form der Ich-Bücher.
Es sollen Orte der Begegnung genutzt werden, um Menschen zusammen zu bringen. In Gesprächen soll ermittelt werden, mit welchen Angeboten wir Menschen zusammenbringen und unterstützen können, um die notwendige gegenseitige Akzeptanz für eine gute Nachbarschaft erreichen zu können.
In einem Satz: Ich möchte Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Welche Fähigkeiten muss eine Quartiers- und Teilhabegestalterin haben?
Man muss verantwortungsvoll arbeiten und eine professionelle Einstellung in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Klienten haben. Man muss in der Lage sein, auf die verschiedensten Behinderung eingehen zu können. Dazu kommen noch Flexibilität und Teamfähigkeit, außerdem sollte man die Schlüsselkompetenzen Offenheit und den Drang, etwas Neues zu entwickeln, haben. Kreativität und Mut, etwas auszuprobieren, gehören auch dazu.
Zur Person:
Lea Nordhaus ist ausgebildete Heilerziehungspflegerin und langjährige Mitarbeiterin des vkm Hamm e.V.. Neben ihrer Tätigkeit im Ambulant Betreuten Wohnen war sie verantwortliche Leiterin einer Frauengruppe und hat zudem Kolleginnen in anderen Freizeitgruppen unterstützt. Von der Stelle zur Quartiersgestalterin hat sie durch die Geschäftsleitung des vkm Hamm e.V. erfahren. Sie freut sich auf ihre Aufgaben und die Chance, etwas Neues zu entwickeln.