Neue Vision für das Wohnen für Menschen mit Behinderungen sind erforderlich, um den Stillstand im Wohnungsbau zu überwinden
Wer eine barrierefreie, günstige Wohnung sucht, der braucht Geduld. Die Kostensteigerungen im Baugewerbe verzögern Neubauprojekte, gleichzeitig fallen mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung. Dies verschärft den ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt für Menschen mit Behinderung zusätzlich. Der Neubau von Wohnungen ist vielerorts ins Stocken geraten, obwohl die Nachfrage nicht zuletzt durch die Zuwanderung groß ist. Wie groß der Bedarf gerade in Hinblick auf Menschen mit Behinderungen tatsächlich ist, das sollte für Westfalen-Lippe eine Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des LWL ermitteln.
Das Ergebnis ist ernüchternd: In vielen Kreisen und kreisfreien Städten hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf den Wohnungsmärkten deutlich verschlechtert: Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum nimmt zu. Wie die aktuelle Studie des Pestel-Instituts zeigt, sind von den neuen Engpässen auf den Wohnungsmärkten beeinträchtigte Menschen, die selbstständig wohnen und leben möchten, besonders betroffen. Es fehlt bedarfsgerechter und bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit Behinderungen. Wohnraum, der eine echte Alternative zum Wohnheim oder Leben im Elternhaus ermöglicht. Matthias Günther vom Pestel-Institut erläuterte, dass der Bestand an Sozialwohnungen mit Mietpreisbindungen in Nordrhein-Westfalen seit 2010 um 92.000 Wohnungen (17 Prozent) zurückgegangen ist: „Sinkende Sozialwohnungsbestände treffen auch im LWL-Gebiet auf eine zunehmende Zahl armutsgefährdeter Haushalte und damit auch Menschen mit Behinderungen“.
Diese Herausforderung wurde im Fachforum „Barrieren überwinden — Perspektiven für den Wohnungsbau für Menschen mit Behinderungen“ am 28. September in Münster aufgegriffen. Gemeinsam mit rund 100 Vertretern der Freien Wohlfahrtspflege, Verbänden, Kommunen und politisch Verantwortlichen wurden Perspektiven für die Zukunft des Wohnungsbaus für Menschen mit Behinderungen diskutiert. Eins wurde sehr deutlich: Das Themenfeld ist sehr komplex, da viele Akteure bei diesem Thema gefragt sind. Ein weiteres Problem ist, dass viele Zielgruppen auf den sozialen Wohnungsbau angewiesen sind und die Bedarfe von Menschen mit Behinderung nur selten im Fokus stehen.
Markus Leßmann, Leiter der Abteilung Soziales beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW betonte, dass die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, der Wohnungs- und Fachkräftemangel und die öffentliche Finanzlage große Herausforderungen darstellen und forderte „eine neue gemeinsame Vision für das Wohnen für Menschen mit Behinderungen, die alle zur engagierten Kooperation motiviert“.
Johannes Chudziak, Sozialdezernent des LWL betonte: „Die Herausforderungen im Wohnungsbau benötigen gemeinsame Anstrengungen und Flexibilität, um bedarfsgerechte Planungen voranzutreiben und passende Angebote zu schaffen“.
Tilman Fuchs, Sozialdezernent des Kreises Steinfurt wies ergänzend darauf hin, dass die Wohnungsnot ein grundsätzliches Problem aller armutsgefährdeter Zielgruppen sei, Kommunen aber stärker auch Menschen mit Behinderungen bei der Planung in den Blick nehmen müssen.
Hendrik Hoffjann, Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege NRW, stellte fest, dass eine Angebotsentwicklung im Wohnen auch die Leistungserbringer einbeziehen müsse, damit auch die Unterstützung der Menschen sichergestellt werden könne, unabhängig davon, wie das Wohnangebot aussehe.
Insgesamt wurde deutlich, dass die Herausforderungen im Wohnungsbau für Menschen mit Behinderungen nur gemeinsam bewältigt werden können. Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion signalisierten ihre Bereitschaft, diesen Prozess aktiv zu gestalten und sich in die Entwicklung von Perspektiven einzubringen.
Die Veranstaltung wurde filmisch dokumentiert. Durch das Klicken auf die Bilder gelangen Sie zu den verschiedenen Vorträgen (mit Weiterleitung zu YouTube).