Vier Fra­gen an die LWL-Poli­tik – Fol­ge 3: Karen Hal­t­auf­der­hei­de, GRÜNE

Porträtfoto Karen Haltaufderheide (GRÜNE)

Foto: privat

Eine 20-köp­fi­ge Jury hat die 15 Wohn­pro­jek­te aus­ge­sucht, die vom SeWo-Pro­gramm für fünf Jah­re geför­dert wer­den. In die­ser Inter­view-Serie fra­gen wir bei Poli­ti­kern der fünf Frak­tio­nen aus der LWL-Land­schafts­ver­samm­lung nach, die in dem Gre­mi­um mit­ge­ar­bei­tet haben: Was erwar­ten sie vom SeWo-Pro­gramm und den Pro­jekt­trä­gern? Das drit­te Inter­view in der Serie haben wir mit Karen Hal­t­auf­der­hei­de aus dem Enne­pe-Ruhr-Kreis geführt, sozi­al­po­li­ti­sche Spre­che­rin der GRÜNEN im Land­schafts­ver­band Westfalen-Lippe.

Was erwarten Sie vom SeWo-Programm für die Entwicklung des Selbstständigen Wohnens von Menschen mit wesentlichen Behinderungen?

Mit dem SeWo-Programm gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Inklusion. Das Recht auf selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gilt für alle Menschen – unabhängig davon, wieviel Unterstützung sie dazu brauchen. Dabei sind das Wohnen in der eigenen Wohnung und der Kontakt im Stadtteil ganz wichtige Faktoren. Mit dem neuen Projekt zeigt der LWL, dass mit entsprechender Technik und mit Einbindung ins Quartier mehr Selbstbestimmung und mehr Lebensqualität für Menschen mit wesentlichen Behinderungen möglich sind. Gleichzeitig verändert das Projekt die Quartiere. Sie werden vielfältiger. Die Normalität des Verschieden-Seins und gegenseitige Unterstützung verändern das Zusammenleben. Nebenbei nützt der notwendige Abbau von baulichen Barrieren allen Menschen im Stadtteil. Sehr positiv finde ich, dass es gelungen ist, Projekte aus fast allen Regionen Westfalen-Lippes auszuwählen.

Welche Projektideen sind Ihnen aus der Jurysitzung besonders im Kopf geblieben?

Überraschend war für mich, wie verschieden die Projektansätze und die Zielgruppen sind. Es waren sehr viele gute Ideen dabei. Das hat die Auswahl schwierig gemacht. Manche Zielgruppen sind weitgehend unbekannt und bekommen dementsprechend wenig Aufmerksamkeit. Erst durch das Projekt „Leichter Leben in Lübbecke“ habe ich beispielsweise vom ‚Prader-Willi-Syndrom’ erfahren. Absolut sympathisch fand ich von Anfang an das Projekt „Neue Mitte Dedinghausen“. Ein Wohnprojekt für Menschen mit und ohne Behinderungen zum Zentrum des Dorfes zu machen, spricht für eine Denkweise, die Menschen mit Behinderung nicht als geduldete Randgruppe betrachtet, sondern ihnen mit selbstverständlichem Respekt begegnet.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Gewinner ausgesucht?

Beide Kriterien – Unterstützung durch Technik und Quartierseinbindung – mussten wesentlich für die Projektidee sein. Für mich ist nicht wichtig, dass möglichst viel und besonders moderne Technik in einem Projekt zum Einsatz kommt, sondern dass Technik so eingesetzt wird, dass sie handhabbar für die Betroffenen ist und ihnen einen möglichst großen Gewinn an Lebensqualität bringt. Auch die Quartierseinbindung darf nicht einseitig und aufgesetzt sein. Es muss sichtbar sein, dass eine organische Verbindung zwischen dem Wohnprojekt und anderen Bewohnerinnen und Bewohnern des Quartiers angestrebt wird. Das gelingt meines Erachtens am überzeugendsten, wenn Projekte aus dem Quartier heraus entwickelt werden. Wohnprojekte, die ohne vorherige Beziehung zum Ort oder Ortsteil installiert werden sollen, mussten für mich glaubhaft machen, dass sie geeignete Ideen haben, damit das Wohnprojekt und die Menschen im Quartier zusammenwachsen.

Was sind für Sie die wichtigsten Bedingungen, damit das selbstständige Wohnen für Menschen mit wesentlichen Behinderungen funktionieren kann?

Ganz wichtig ist die Sicherheit, dass Unterstützung im notwendigen Umfang dauerhaft gewährt wird. Wer Angst haben muss, aus finanziellen Gründen wieder stationär untergebracht zu werden, kann sich nicht wohl fühlen und positiv entwickeln. In Bezug auf Technik gilt die Maxime: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Die Technik muss überschaubar und für die Bewohner handhabbar sein. Aber natürlich müssen auch die äußeren Faktoren stimmen. Öffentliche Einrichtungen, Arbeitsplätze, der öffentliche Raum, eben das gesamte gesellschaftliche Leben, müssen sich so verändern, dass Menschen mit Handicap nicht nur ungehindert sondern unterstützt teilhaben können. Das erfordert Veränderungen im Planen, Denken und Handeln, aber vor allem auch die Bereitschaft der Gesellschaft, sich gleiche Rechte und Nachteilsausgleiche leisten zu wollen.